Hölzernes Webebrettchen mit eingeschnitzten Ornamenten, aus Burdur (Kleinasien)
Der deutsche Begriff „Brettchenweben“ wurde von Margarethe Lehmann-Filhés geprägt, die mit ihrem Buch „Über Brettchenweberei“ Ende des 19. Jhdts. erstmalig über diese textile Webtechnik publizierte.
Im Zuge Ihrer kulturgeschichtlichen Forschungen über Island entdeckte sie in einem Museum in Kopenhagen ein angefangenes Band mit Kette aus Wolle, inklusive den noch gefädelten quadratischen, an den Ecken gelochten Holzbrettchen für die Herstellung. Da diese Webtechnik in Mitteleuropa nicht bekannt war, erfand sie dafür den Begriff „Brettchenweben“. Erst später erfuhr sie, dass für diese Technik nicht nur quadratische „Brettchen“ aus Holz, sondern Webtäfelchen aus den verschiedensten Materialien verwendet wurden (Spielkarten, Karton, Horn, Knochen, Leder etc.).
Der Begriff „Brettchenweben“ (engl.: tablet weaving) ist daher eigentlich nicht ganz korrekt, im Englischen wird auch der Begriff „Kartenweben“ (card weaving) verwendet. Der Begriff „Brettchenweben“ ist aber im deutschsprachigen Raum mittlerweile so etabliert, dass ich ihn auf den folgenden Seiten ebenfalls verwenden werde.
Die Entwicklung und Herkunft der Technik liegt im Dunkel der Geschichte, alle Versuche einer Erklärung dazu bleiben reine Spekulation !
Die derzeit ältesten Textilreste in dieser Technik stammen aus bronzezeitlichen Gräbern in Schwarza/Thüringen. Aus Österreich stammen eisenzeitliche Funde vom prähistorischen Salzbergbau in Hallstatt und vom Dürrnberg/Hallein. Schöne Belege stammen aus dem berühmten Fürstengrab von Hochdorf in der BRD oder aus dem Grab 200 von El Cigarralejo in Spanien. Als Material für Kette/Schuss wurde damals überwiegend teilweise extrem fein versponnene Wolle sowie pflanzliche Fasern und außergewöhnliches Material wie Haar vom Dachs und Pferd verwendet. Die Gewebe wurden damals auch als Borten auf andere Textilien aufgenäht oder wurden als Saum direkt in andere Textilien mit eingewebt.
Ein hervorragendes Beispiel dazu liefern rechteckige Tuche, die in das 1. – 5. Jhdt. n. Chr. datierten „Prachtmäntel“, wie der „Thorsberger Mantel“ mit seinen breiten wahrscheinlich mit Webtäfelchen gewebten Webkanten.
In Wikingergräbern aus dem 9. Jhdt. (Birka in Schweden, Snartemo in Norwegen etc.) wurden außergewöhnliche Bänder gefunden, die mit Gold- bzw. Silberlahn oder feinem Silberdraht broschiert waren. Aus dieser Zeit stammt auch die älteste vollständig erhaltene, mit Brettchen bezogene Kette. Sie wurde bei Ausgrabungen eines Schiffsgrabes in Norwegen gefunden (Osebergschiff).
Wie mittelalterliche Darstellungen belegen, wurde diese Technik auch in Mitteleuropa noch von Hofdamen und in Klöstern ausgeübt. Die Bänder selbst waren einfache Schnurbindungsgewebe die aber dafür aufwändig broschiert und bestickt wurden. Sie dienten als Besatz von Kirchgewändern, als Schleifen oder Siegel für kostbare Dokumente (Funde dazu im geistlichen Teil der Schatzkammer in Wien, Anna Neupers Modellbuch). Auch wenn Belege fehlen, kann angenommen werden, dass die Brettchenweberei zu dieser Zeit auch im bäuerlichen Alltag eingesetzt wurde (z.B. Tragegurte).
Mit dem ausgehenden Mittelalter ist die Technik in Mitteleuropa an Hand von musealen Belegen derzeit nicht mehr greifbar. Außerhalb von Europa, aber wahrscheinlich auch in Teilen von Skandinavien, war diese Technik durchgehend über Jahrhunderte hinweg bis ins 20. Jhdt hinein in Gebrauch. Insbesonders im vorderen Orient wurden Bänder von hoher Qualität in dieser Technik hergestellt (z.B. Fatschenbänder aus dem Iran, Geldgürtel aus Syrien, Samtgürtel aus Usbekistan…).
Auch heute noch werden auf diese Art und Weise in Teilen von Asien, dem mittleren Osten und Nordafrika Bänder hergestellt und auch verwendet (z.B. Kameltragegurte). Der englische Textilkünstler Peter Collingwood publizierte 1982 mit „The techniques of tablet weaving“ das bisher umfassendste Buch zum Thema Brettchenweben. In den letzten Jahren hat das Interesse an diesem altem Handwerk erfreulicherweise wieder zugenommen.
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